„Stiche im Wald – Zwischen Küste und Kasten“
Spuren im Moos Falk Thomsen war früh aufgestanden. Wie immer. Noch bevor der erste Kutter aus dem Hafen von Wustrow lief, war er bei den Völkern.
Die dunkle Biene, Apis mellifera mellifera, war scheu, zäh und wenig erbaut von neugierigen Besuchern. Genau wie er. Sein Imkerstand lag abseits, versteckt in einer Lichtung zwischen den windschiefen Kiefern, an der Steilküste zwischen Wustrow und Ahrenshoop. Hier kam kaum ein Tourist hin. Nur das Summen der Bienen, das Knacken der Äste, das gleichmäßige Rauschen der Ostsee, das man hier selbst im Wald noch hören konnte – das war seine Welt.
Er hob langsam den Deckel von Volk D14 an. Die Königin hatte gut gelegt, er war zufrieden. Wenn er mit seinen Bienen arbeitete, war er fast so, als wäre die Welt in Ordnung. Fast. Denn seit drei Tagen ließ ihn das, was er im Wald gehört – oder gesehen? – hatte, nicht mehr los. Er hatte nichts der Polizei gesagt. Noch nicht. Was hätte er sagen sollen? „Ich glaube, ich habe einen Mord gesehen, aber vielleicht war’s auch nur meine kaputte Erinnerung an Afghanistan?“ Er war nicht mehr Feldjägerhauptfeldwebel Thomsen. Sondern der große, schweigsame Kerl mit dem Imkerhut, der in Wustrow Honig verkauft und selten mehr als ein Nicken für seine Mitmenschen übrig hat. Nur Conny, an der Rezeption vom Hotel Dünenblick, sah ihn manchmal an, als würde sie durch all das hindurchsehen. Ihre blauen Augen - warm, aufrichtig, ein wenig traurig – machten ihm mehr Angst als jeder Taliban mit einer Kalaschnikow. Er schloss den Deckel wieder und richtete sich auf. Da war es wieder. Ein leises Scharren. Nicht das Geräusch des Waldes. Nicht Einbildung. Er ging los.
Das Geräusch war wieder verstummt. Nur das sanfte Tropfen des Morgentaus aus den Zweigen und das entfernte Summen der Bienen begleiteten seine Schritte. Falk bewegte sich vorsichtig, wie auf Patrouille. Immer ein Auge auf den Boden, ein Ohr in der Ferne. Dann sah er es. Rötlich. Frisch. Ein Tropfen auf einem Farnblatt. Noch einer auf dem moosigen Waldboden. Und dann eine dünne Spur, die sich zwischen Wurzeln und herabgefallenen Ästen verlor. Er kniete sich hin, berührte die Stelle nicht. Alte Routine. Es sah aus wie Blut. Es könnte aber auch von einem Tier sein. Wildwechsel gab es hier genug. Schwarzwild, Rehe, selbst Damhirsche streiften gelegentlich durch das Dickicht. Doch etwas stimmte nicht. Die Tropfen wirkten versetzt. Vereinzelte Spritzer, keine klare Spur. Kein Ziehen, kein Schleifen – wie bei einem verletzten Tier. Er zog sein altes Handy hervor, machte ein paar Fotos. Dann blieb er einen Moment still. Lauschte. Nichts.
Am Abend, im Dorfkrug, kam das Gespräch wie von selbst. „Sag mal, hast du’s gehört? Jäger im Wald, sagt man“, raunte ihm Hannes, der Fischer, über den Tresen zu. Falk runzelte die Stirn. „Was für Jäger?“ „Na, die mit Geld. So’n verrückter Trend. Jagdtourismus. Legen sich auf die Lauer, schießen auf alles, was röhrt. Schwarz, versteht sich. Im Darß! Kannste dir nich ausdenken.“ Ein paar Nicken. Einige schnauben.
Marcel Müller-Meißner
Autor
täglichen Nähe zum militärischen Alltag – Eindrücke, die ihn nachhaltig prägten und zum Teil Spuren hinterließen.
Die Leidenschaft für das Schreiben kam fast beiläufig. Im Urlaub, zwischen Geschichten für seine Kinder und den langen Spaziergängen im Ostseebad Wustrow, entstand die Idee zu einem Kriminalroman, der alles miteinander verbindet: persönliche Erfahrungen, die Liebe zur Region
Fischland-Darß, alte Kameradschaften und das Wissen um die Stille nach dem Sturm. Herausgekommen ist „Stiche im Wald“ – ein Krimi, der nicht nur spannend ist, sondern auch ein Stück Seele trägt. Wenn er nicht schreibt oder seine Bienen betreut, verbringt Marcel Müller-Meißner seine Zeit am liebsten mit seiner Familie oder auf Reisen zwischen Wunstorf und der Ostseeküste.
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